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Ein Menetekel an der Bunkerwand

  • Ronald Keusch
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 24 Stunden

Berlin Story Bunker fragt: Hitler – wie konnte es geschehen?


Eingang des Berlin Story Bunkers am Anhalter Bahnhof  © Ronald Keusch

Eingang des Berlin Story Bunkers am Anhalter Bahnhof 

Es ist schon eine geniale Idee, die Geschichte des deutschen Nationalsozialismus sowie eine Hitler-Dokumentation in einem ungeheuer großen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg am Anhalter Bahnhof in Berlin zu zeigen. Ein solcher Ort entlarvt schon von sich aus die Barbarei der Nazizeit und ihr verheerendes Ende. Anlässlich des nunmehr 80. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges hat der Leiter des Korrespondenten Cafe in Berlin, der österreichische Journalist Ewald König, Kollegen aus dem In- und Ausland zu einem Besuch in den Berlin Story Bunker eingeladen.


Wer Bunker baut, wirft Bomben

An einer Außenwand am Eingang des Bunkers prangt schon etwas verwittert in großen Lettern auf grauem Beton: „Wer Bunker baut, wirft Bomben“. Ein Menetekel an einer Museumswand? Wer hat denn diesen Spruch in schwarzer Farbe an der Bunkerwand angebracht?

Im Eingangsbereich des Bunkers © Ronald Keusch

Eingangsbereich des Bunkers

„Das waren Anfang der 70er Jahre Teilnehmer der damals starken Friedensbewegung“, antwortet Wieland Giebel. Er ist Gründer des Berlin Story Museums, das im Jahr 2015 von seinem Standort unter Unter den Linden hier in den Bunker gezogen ist. Der enge Partner des Autors und Verlegers Giebel ist der Geschäftsführer der Berlin Story, Journalist und Museumsdirektor Enno Lenze, zugleich auch Geschäftsführer des Berlin Story Verlags.


Weltweit umfangsreichste Ausstellung über Nazi-Deutschland

Die Dokumentation im Story-Bunker verfügt heute insgesamt über eine Ausstellungsfläche von 6500 Quadratmetern, auf fünf Stockwerken, in neun Treppenhäusern und mehr als einhundert Räumen. Sie ist damit weltweit die umfangreichste Ausstellung über die Zeit der Nazi-Herrschaft in Deutschland. Es ist wenig verwunderlich, dass bei tieferem Interesse an den Dokumenten in den einzelnen Räumen eine Besucherzeit von drei bis fünf Stunden zusammenkommen kann. Wobei schon, wie in der Broschüre des Story-Bunkers beschrieben, der Bunker selbst und der Weg durch den Bunker einen erheblichen Teil der Erfahrung der Besucher ausmacht. Drei Stunden oder mehr befindet man sich in Räumen ohne Fenster, unter einer 3,80 Meter dicken Stahlbetondecke.


Story-Bunker mit hohen Besucherzahlen

Der Bunker am Anhalter Bahnhof entstand im Jahr 1942 in Folge der seit 1940 anhaltenden Bombardierungen Berlins durch die britische Royal Air-Force, Antwort und Vergeltung für die Bombardierung englischer Städte durch die deutsche Luftwaffe. Am Ende des Krieges im April 1945 suchten bis zu 12.000 Menschen eng gedrängt hier Schutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente der Bunker als Speicher für die Senatsreserven, angelegt in der Blockadezeit von Westberlin1948/49 im aufkommenden kalten Krieg. Jetzt hat sich dieser Betonklotz des Krieges zum viel besuchten Story-Bunker gemausert. „In der Rangliste der rund 200 Museen in Berlin bei den Besucherzahlen belegen wir den siebenten Platz“, unterstreicht, Museumsgründer Giebel. Das ist ein beachtlicher Wert. Zwar liegt der Bunker nur fünf Minuten vom Potsdamer Platz entfernt, aber die meisten Touren führen Berlin-Besucher zu den Sehenswürdigkeiten der historischen Mitte, zur Museumsinsel oder zum Kulturforum.


Dokumentation: Wie Hitler an die Macht kam

Modell des Führerbunkers © Berlin Story Bunker

Modell des Führerbunkers

Im Mittelpunkt der Ausstellung im Bunker steht die Dokumentation mit dem Titel: „Hitler – wie konnte es geschehen“. Worum es darin geht, dazu Wieland Giebel: „Wie Hitler an die Macht kam, wodurch normale Menschen zu gewissenlosen Mördern werden konnten, warum die ‚Führertreue‘ bis in den Untergang hielt.“

Der Besucher ist beeindruckt von der Fülle von Informationstafeln und unzähligen historischen Fotos. Ein Beispiel dafür ist die Chronologie der letzten Tage von Adolf Hitler im Führerbunker sowie die symbolische Rekonstruktion des Raums, in dem Hitler am 30.April 1945 Selbstmord beging. Auf umfangreich vorhandenes Filmmaterial wurde verzichtet, bewegte Bilder nur sparsam eingesetzt, denn sie hätten die Aufenthaltszeit weiter ausgedehnt. Der historisch Interessierte wird schon gerade angesichts vieler wenig bekannter Fakten und Details seinen Aufenthalt im Bunker verlängern.


Deutschland 1945 bis heute

Ein wesentlich kleinerer Teil der Bunker Story ist dem Thema „Deutschland 1945 bis heute“ gewidmet. Diese Zeitspanne von 80 Jahren umfasst einen ungeheuer wichtigen historischen Prozess. Dazu zählen bekanntlich die Besatzungszeit, die Gründung der zwei deutschen Staaten, die Zeiten des kalten Krieges und der friedlichen Koexistenz, der Bau der Berliner Mauer, die Studentenbewegung 1968 und die wachsende Friedensbewegung bis hin zum Ende der DDR und dem Zerfall des Warschauer Vertrages. Angesichts dieses gewaltigen historischen Komplexes müssen die Ausstellungsmacher immer der Gefahr begegnen, die einzelnen Themen zu wenig differenziert darzustellen.


Ausstellungsteil Deutschland 1949 bis heute © Berlin Story Bunker

Ausstellungsteil Deutschland 1949 bis heute

 

Wie aktuell ist das Deutschland-Bild?

Außerdem stellt sich bei diesem Ausstellungsabschnitt die Frage der Aktualisierung. Muss man beispielsweise zur „Politik der Willkommenskultur“ mit ihrem Beginn im Jahr 2015 nach zehn Jahren nicht zugleich die kritischen Momente einer unkontrollierten Einwanderung nach Deutschland berücksichtigen – so wie es derzeit in der Öffentlichkeit durchaus kontrovers diskutiert wird. Allerdings erfüllt allein die Vermittlung von grundlegenden Fakten zur jüngeren deutschen Geschichte nach 1945 die wichtige Aufgabe, das mitunter mangelnde historische Wissen der jungen Generation zu vertiefen. Es gab 40 Jahre lang zwei Staaten in Deutschland, es gab den Bundeskanzler der BRD Willy Brandt von der SPD, der für seine Entspannungspolitik den Friedensnobelpreis bekam. Und es gab den Kosmonauten Siegmund Jähn aus dem Erzgebirge, der ins Weltall flog.

 

Warum ist die Friedensbewegung so schwach geworden?

Am Ende des Rundgangs durch die unzähligen Bunkerräume, in denen abertausende Menschen in den Bombennächten ängstlich ausharrten, fiel mein Blick wieder auf die Bunkerwand mit der Aufschrift, in der Friedensbewegte vor über 50 Jahren feststellten: „Wer Bunker baut, wirft Bomben“. Erst kürzlich im März veröffentlichten die Medien von André Berghegger, CDU, Hauptgeschäftsführer Städte- und Gemeindebund, dass es dringend notwendig sei, stillgelegte Bunker wieder in Betrieb zu nehmen und außerdem müssten neue, moderne Schutzräume gebaut werden. Es ist wohl höchste Zeit, sich gerade an einem Ort wie der Bunker Story die Frage zu stellen: Wie konnte es geschehen, dass die Friedensbewegung in Deutschland so schwach geworden ist?




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