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Wolken und Licht

  • Ronald Keusch
  • 9. Juli 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 9. Juli 2023

Museum Barberini in Potsdam zeigt Impressionismus aus Holland





Neue Impressionismus-Ausstellung am Barberini in Potsdam


Einmal mehr präsentiert das Spitzenmuseum für die Malerei des Impressionismus eine sehenswerte und für das breite Publikum wie auch die Fachwelt spannende Ausstellung. „Eine solche Ausstellung hat es so in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben“, betont Direktorin Westheider. „Die Bilder sind alle in Holland entstanden, aber die übergroße Mehrzahl ist von den Themen und der Art und Weise durch den französischen Impressionismus beeinflusst.“ Es zeigt sich sehr anschaulich die internationale Ausstrahlung des Impressionismus. Und außerdem wird deutlich, wie durch den französischen Einfluss die Künstler zu einer ganz eigenen holländischen Form des Impressionismus angeregt und inspiriert wurden.

Barberini-Museum in Potsdam
Barberini-Museum in Potsdam

Insgesamt werden 110 Gemälde von 39 Künstlern gezeigt. Chefkurator Michael Philipp macht darauf aufmerksam, dass von ihnen in Deutschland nur drei Maler durch Ausstellungen und in Sammlungen bekannt sind. Neben dem berühmten Vincent van Gogh noch die Maler Piet Mondrian sowie Johan Barthold Jongkind, „der von dem Star der französischen Impressionisten Claude Monet so gelobte Marine-Maler.“ Dagegen wurden die anderen 36 Künstler in Paris, London und in den USA gekauft, gesammelt und ausgestellt und sind in Deutschland nahezu unbekannt. Den Ausstellungsmachern ist es dennoch gelungen, bis auf ein Gemälde aus einem Museum in Washington alle Werke für diese Ausstellung von 23 Leihgebern – fast alle aus den Niederlanden – zu erhalten, so zum Beispiel dem Kunstmuseum Den Haag, dem Rijksmuseum und dem Stedelijk-Museum Amsterdam oder dem Singer-Museum Laren.


Chefkurator Michael Philipp präsentiert die neue Ausstellung
Chefkurator Michael Philipp präsentiert die neue Ausstellung

„Einige kleinere Museum haben ihren Saal mit Werken des 19. Jahrhunderts weitgehend geleert. Die Kronjuwelen sind jetzt hier bei uns in Potsdam zu sehen“, so vermeldet stolz Chefkurator Philipp. Außerdem sei mit der Ausstellung in Potsdam die in Fachkreisen mitunter gestellte Frage, ob es denn einen Impressionismus in Holland gegeben habe, mit dem gewählten Titel klar und eindeutig beantwortet: „Wolken und Licht. Impressionismus aus Holland“ !

Für den regelmäßigen Besucher des Barberini-Museums sind die Unterschiede im Vergleich zu den Sammlungen von Hasso Plattner schon deutlich. Während bei den französischen Impressionisten der lockere Pinselstrich und der Einsatz der Farbe dominierten, blieb für die holländischen Maler noch lange die Landschaftsmalerei der Alten Meister des 17. Jahrhunderts der Maßstab. Als französische Künstler in den 1830er Jahren im Wald von Fontainebleau das Malen in der freien Natur begannen und die Erfahrung des Moments zum Gegenstand ihrer Bilder machten, schufen sie die Grundlagen für die künstlerische Bewegung des Impressionismus. Nur wenig später, Ende der 1840er Jahre, fingen auch Maler in den Niederlanden an, en plein air, unter freiem Himmel, zu arbeiten. Die Künstler ließen idealisierende oder romantische Landschaftskompositionen hinter sich und zielten auf eine realistische Naturdarstellung, so beschreibt das Museum Barberini die Impressionismus-Entwicklung. Es finden sich also neben Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten. Da ist ganz vorn der Mut, die damals noch nicht eingeführte Malerei an der freien Luft zu praktizieren. Gemeinsamkeiten auch bei der Motivwahl, denn da waren in den holländischen Bildern Landschaften ohne „erzählerischen Inhalt“ und ohne „pittoreske Momente“ zu sehen, so beschreibt es Philipp. Dieser Trend wird mit dem Titel der Ausstellung mit den Worten „Wolken und Licht“ gut beschrieben.


Anton Mauve: Morgenausritt am Strand, 1876, Öl auf Leinwand, Rijksmuseum Amsterdam
Anton Mauve: Morgenausritt am Strand, 1876, Öl auf Leinwand, Rijksmuseum Amsterdam

Bei einem Rundgang durch die Ausstellung kann sich der Besucher dann auf die Impressionisten-Werke von drei Malerschulen freuen, die in unterschiedlichen Zeit-Etappen in den Niederlanden die Grundidee des Impressionismus vereint haben.

Jan Hendrik Weissenbruch: Blick auf drei Mühlen,
1890, Öl auf Leinwand, Stedelijk Museum Amsterdam
Jan Hendrik Weissenbruch: Blick auf drei Mühlen,  1890, Öl auf Leinwand, Stedelijk Museum Amsterdam

Zugleich wird auch die Entwicklung der holländischen Landschaftsmalerei von 1850 bis 1910 aufgezeigt. Es bildete sich die Haager Schule heraus mit Malern wie Willem Roelofs, Johan Hendrik Weissenbruch, Anton Mauve oder Jacob Marins. Ein Motto von ihnen lautete: „Geht in den Wald, malt, was ihr seht, orientiert euch an der Natur und nicht an anderen Malern und deren Stil“. Besonders typisch für diese Malerschule waren der tiefe Horizont und der weite Himmel mit eindrucksvollen Wolkenbildern. Diese panoramaartigen Gemälde kommen ohne Handlung aus und ignorieren die Veränderungen der modernen Zeit.

Auf die Haager Schule folgten die Amsterdamer Impressionisten in den Jahren um 1880. Sie entdeckten die Stadt mit ihrem quirligen Alltagsleben als Ort für ihr künstlerisches Schaffen. Maler wie George Hendrik Breitner und Isaac Israels suchten Motive in ihrer Umgebung, auf belebten Straßen und Plätzen, in Kaffeehäusern, aber auch in Gärten und am Strand als Orte der Entspannung und der Freizeit.


George Hendrik Breitner: Die Singelbrücke bei der Paleisstraat in Amsterdam, 1898, Öl auf Leinwand, Rijksmuseum Amsterdam
George Hendrik Breitner: Die Singelbrücke bei der Paleisstraat in Amsterdam, 1898, Öl auf Leinwand, Rijksmuseum Amsterdam

Und schließlich ließ sich die nächste Generation der holländischen Maler ab 1890 vom Pointillismus inspirieren, einer Stilrichtung, bei der Farbpunkte zu Flächen zusammengesetzt werden. Die Bilder werden geometrisch komponiert und der gesamte Farbeindruck ergibt sich erst im Auge des Betrachters, der das Gemälde aus einer gewissen Distanz betrachtet. Viele Maler dieser Zeit, wie Jan Toorop, Ferdinand Hart Nibbrig, Piet Mondrian in seinem Frühwerk und Vincent van Gogh in seinem Spätwerk setzten sich intensiv mit der pointillistischen Technik auseinander und schufen bedeutende Werke.


Piet Mondrian: Kleines Haus in der Sonne, 1909, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Den Haag
Piet Mondrian: Kleines Haus in der Sonne, 1909, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Den Haag

Für die nach 1905 entstandenen Landschaftsbilder in denen Licht und Farbe besonders betont wurden, fand sich dann der Begriff Luminismus, Mit diesen Richtungen wurden in den Niederlanden Übergänge zur Entwicklung moderner Malerei geschaffen. Es ging nicht mehr um die Darstellung der Wahrnehmung der Natur, sondern um den Ausdruck individuellen Empfindens des Künstlers.


Ferdinand Hart Nibbrig: In den Dünen von Zandvoort, 1891/92, Öl auf Leinwand, Singer-Museum Laren
Ferdinand Hart Nibbrig: Blumenfelder, 1881, Öl auf Leinwand, Stedelijk Museum Amsterdam
Co Breman: Nachmittag, Blaricum, 1903, Öl auf Leinwand, Singer-Museum Laren
Jan Toorop: Trio fleuri, 1885/86, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Den Haag
Vincent van Gogh: Waldrand, 1883, Öl auf Leinwand, Kröller-Müller Museum Otterlo
Leo Gestel: Herbst, 1911, Öl auf Leinwand, Kunstmuseum Den Haag

Mit dieser einmaligen Ausstellung hat es das Team um Kurator Philipp geschafft, dem Publikum einen beeindruckenden Parcours durch die schillernde Welt des Impressionismus in den Niederlanden zu präsentieren. Auf der Pressekonferenz wurde die Frage gestellt, ob angesichts dieser erstmaligen so umfangreichen Ausstellung mehr Kunstfreunde aus Holland im Barberini erwartet werden. Direktorin Westheider hat daran gar keinen Zweifel: Die Impressionisten sind ein großer Anreiz, Potsdam zu besuchen, und dann vielleicht gleich noch einen Spaziergang durch das Holländische Viertel zu unternehmen oder Sanssouci zu entdecken. Und Kurator Philipp fügt hinzu: Wenn viele Niederländer über die Ausstellung erfahren, dann werden auch viele kommen.





Ausstellung „Wolken und Licht“ vom 8. Juli bis zum 22 Oktober 2023

Öffnungszeiten: Täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr

Mediathek: In der Mediathek (www.museum-barberini.de/de/mediathek/) kann man Geschichten hinter den Gemälden entdecken. Dazu gibt es Filme, Interviews, Essays und Podcasts, und für Yoga-Freunde gibt es sogar eine Yoga-Stunde im Museum und dem Titel „Quiet Mornings“. Als Anregung zum Mitmachen für zu Hause wurden die letzten Quiet Mornings aufgezeichnet.

Programm: Das Museum hat ein umfangreiches Programm aufgelegt, mit Führungen, Workshops, Vortragsreihen für alle Altersgruppen (www.museum-barberini.de/de/kalender/).

Online-Tour und 360-Grad Tour: Wie schon für frühere Ausstellungen im Barberini-Museum kann in der 360 Grad-Tour die ständige Impressionismus-Ausstellung digital erkundet werden (www.museum-barberini.de/de/mediathek/2031/virtuell-durch-die-sammlung). Für die aktuelle Ausstellung wird die 360-Grad-Tour ab Mitte Juli bereitstehen. Virtuell lässt sich von einem Ausstellungsraum zum anderen navigieren und durch die Zoom-Funktion jedes Bild im Detail betrachten.





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