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Ronald Keusch

Wir sind gut ausgebucht

Berliner Sterne-Köche beim Medientreff vom Tourismus-Dialog Berlin




Die Gesprächspartner des Medientreffs Moderator Dr. Stefan Elfenbein, Billy Wagner, Annika Schönstädt, Marco Müller und Steven Zeidler (v.l.n.r.)
Die Gesprächspartner des Medientreffs Moderator Dr. Stefan Elfenbein, Billy Wagner, Annika Schönstädt, Marco Müller und Steven Zeidler (v.l.n.r.)


Viele Köche verderben den Brei, so lautet das Sprichwort. Wenn allerdings drei prominente und erfolgreiche Köche aus Berlin eingeladen werden und gemeinsam auftreten, um einige Erfahrungen auszutauschen, kann das schon schmecken. So geschehen bei einem vom Tourismus-Dialog veranstalteten Medientreff am 30. Juni, der die launige Überschrift trug: „Berlin unterm Sternenhimmel“. Denn bei den drei eingeladenen Köchen handelte es sich um Könner ihres Fachs, deren Klasse durch die Verleihung von Guide Michelin Sternen ausgewiesen wurde. Dazu gesellte sich Annika Schönstädt von der Berliner Morgenpost, die sich als Jurymitglied der „Berliner Meisterköche“ für die illustre Runde qualifizierte. Immerhin hat der Sterne-Preisrichter Michelin in Deutschland allein 24 seiner Sterne in die Tourismus-Metropole Berlin vergeben, dagegen nach München 16 und mit 10 nicht einmal die Hälfte nach Hamburg. Für die Moderation dieses recht speziellen Themas wählten die Veranstalter des Tourismus-Dialog mit Nestor Gerhard Kirsch und seinem neuen Leiter Ewald König einen ausgewiesenen Experten aus, den Restaurantkritiker Dr. Stefan Elfenbein, der auch als Jury-Vorsitzender der Berliner Meisterköche agiert und als Autor in der Fachpresse sowie durch die Zeitschrift „Feinschmecker“ bekannt ist.


Der Ort des Medientreffs war mit dem Rutz-Zollhaus am Carl-Herz-Ufer in Berlin gut gewählt. Das Rutz-Zollhaus liegt idyllisch am Landwehrkanal mitten in Berlin Kreuzberg und ist das Schwester-Restaurant des ersten und einzigen Restaurants in Berlin, das mit drei Guide Michelin Sternen ausgezeichnet wurde – dem Rutz in der Chausseestraße. In der Rolle des Gastgebers fungierte der Küchendirektor des Rutz-Restaurants Marco Müller. An ihn und an die zwei anderen Sterne-Köche richtete sich auch die erste und gewissermaßen zentrale Frage in der 90 Minuten Diskussionsrunde: Ob und welche Veränderungen haben diese olympischen Medaillen der Kulinarik in ihren Restaurants bewirkt?

Restaurant Rutz-Zollhaus
Restaurant Rutz-Zollhaus

Für die Fachleute aus der Gastronomie-Szene waren die Antworten sicher nicht überraschend. Marco Müller, der Chef einer Instanz für Ess- und Trinkkultur auf höchstem Niveau (Acht Gänge Menü inklusive Wasser 285 Euro; acht Gang Weinbegleitung 200 Euro) konnte nur durch Corona-Pandemie-Maßnahmen ausgebremst werden. Diese verordnete Pause wurde in beiden Rutz-Häusern für geplante Umbauten genutzt. Ansonsten, so Sterne-König Marco Müller, sei das Rutz mit seinem Edel-Restaurant seit Jahren etabliert. „Wir sind bis zum Jahresende ausgebucht!“ Da sei der Stern eher noch eine zusätzliche Bestätigung für die Gäste.


Ähnliches beschied der Newcomer in der erlesenen Kochrunde Steven Zeidler, Küchenchef des Restaurants „Bricole“. Das Restaurant im Prenzlauer Berg in der Senefelder Straße erhielt 2022 erstmalig einen Michelin-Stern. Hier gibt man sich nach der Selbstaussage auf der Website „kulinarisch modern“, bietet eine „unkomplizierte Atmosphäre“ und teilt mit seinen Gästen „eine große Leidenschaft für gutes Essen und ausgezeichnete Weine“. Der Preis ihres 5 Gänge Menüs liegt zwischen 86 und 98 Euro und die Weinbegleitung beginnt bei 54 Euro. Auch Steven Zeidler ist mit dem Gäste-Zuspruch sehr zufrieden. Er ist für die nächsten sechs bis sieben Wochen ausgebucht und im Durchschnitt mehr als 80 Prozent ausgelastet.


Auch Billy Wagner, Inhaber und Gastgeber des Gourmetrestaurants „Nobelhart & Schmutzig“ kann sich über die Akzeptanz beim Publikum nicht beklagen. Dort, wo die frühere Prachtstraße sich nach Kreuzberg verlängert, befindet sich das unscheinbare Haus in der Friedrichstraße 218. „Wir sind gut ausgebucht und der verliehene Stern gibt uns noch mehr Sicherheit“, meint Billy Wagner. Seine Preismarke: 10 Gänge (davon ein Fleischgericht) 135 bis 155 Euro. Er ist einer der bekanntesten Sommeliers in Deutschland, der mit der streng ausgerichteten regionalen Küche die Geschmacksnerven seines Publikums trifft. Und der auch einmal damit Schlagzeilen produzierte, dass ein Gast aus seinem Publikum ein Menü und anschließend mit ihm einen gemeinsamen Besuch im legendären Szene-Club Berghain ersteigern konnte – mit einem vierstelligen Betrag für einen guten Zweck.


Schließlich war der Journalistin bei den Berliner Meisterköchen das erste Resümee des Abends vorbehalten mit der Position: Die Sterne machen die einzelnen Nobel-Restaurants wohl kaum attraktiver, geben aber, was nicht unwichtig ist, der ausgewählten Zielgruppe vor allem eine Orientierung. Wie dann weiter zu erfahren, existieren neben den Michelin-Sternen noch eine ganze Reihe anderer Bewertungssysteme für Gourmet-Tempel und ihre exklusiven Mahlzeiten. Dazu zählt die einflussreiche, aber auch umstrittene Liste der „World’s 50 Best Restaurants“, die als Gradmesser für die globalen Trends und als Oscar in der Spitzengastronomie gelten will. Hinzu kommen noch vielerlei Hauben, Pfannen und weitere Bewertungsportale. Wobei mit der Auszeichnung der Michelin-Sterne das Restaurant und nicht der Koch bewertet wird, was viele nicht wissen.


Auch bei der interessanten Frage danach, wer denn die Gäste solcher hochkarätigen Speiseorte sind, blieb manches im vagen. So erklärte einer der Wirtsleute, dass etwa zwei Drittel von den Gästen die Rechnung mit Kreditkarten aus Deutschland begleichen. Aber auch die englisch sprechenden Gäste wohnen nicht selten in Berlin. Und durch die Corona-Pandemie-Maßnahmen war die Zahl der Berlin-Besucher insgesamt, egal ob aus In- oder Ausland, stark rückläufig. Gerade nach der langen Durststrecke, verursacht durch Coronaregeln und -Verbote, erleben auch die Vorzeige-Restaurants dank der anhaltenden Misere ihrer Branche eine neue Situation der Gastronomie im Lande. Das betrifft vor allem das fehlende Service-Personal. So hat das ausbleibende Trinkgeld, manchmal um die 1000 Euro und damit ca. 30-40 Prozent des Monats-Salärs, dazu geführt, dass sich viele Mitarbeiter aus der Gastronomie verabschiedet haben. Um sie zurückzuholen, da ist sich die Runde einig, darf es für sie keine 60-70 Stundenwoche auf Dauer geben und die Arbeit sollte auch kreativer gestaltet werden. Schwierig zu lösende Probleme, nicht zuerst in Berlin, sondern in den Urlaubszentren. Durchaus ein Thema für DEHOGA, Tourismusverbände und Wirtschaftsministerium.


Schließlich wurde vom Reiseportal Visit Berlin angemahnt, viel mehr mit der Berliner Gastronomie und vor allem seinem Sternenhimmel bei den Besuchern der Hauptstadt zu werben. Der Tourismus in Berlin, so die einhellige Meinung, hat nicht allein ein paar Varianten der Currywurst zu offerieren. Sicher ist richtig, dass zum bunten Berlin auch der Farbtupfer der Weltstadt mit edler Esskultur gehört, auch mehr Wertschätzung der Lebensmittel (Wie viele Schulgärten gibt es noch?) und des gesamten Themas Essen. Und was wissen schon die Berliner und ihre Besucher über Sterne-Restaurants?


Beim Thema Personal wollte ein Journalistenkollege von den drei Cuisine Meistern wissen, wie denn die weibliche Servierkraft im Restaurant anzusprechen ist: Bei „Herr Ober“ ist alles klar, aber (genderndes Augenzwinkern) bei der Frau…? Die Runde ist überrascht. Was? Wie? Wo? Dann wird die Sprachlosigkeit überwunden. Aber es ist doch bei ihnen normal, dass bei der Bestellung des Menüs und der Weinbegleitung der Service sich mit seinem Namen vorstellt und dann so angesprochen wird. Aha. Da haben die allermeisten Journalisten im Publikum wieder etwas dazu gelernt.




Restaurant Rutz – Zollhaus

Carl-Herz-Ufer 30

10961 Berlin


Restaurant Rutz

Chausseestraße 8

10115 Berlin


Restaurant „Bricole“

Senefelderstraße 30

10437 Berlin


Nobelhart & Schmutzig

Friedrichstr. 218

10969 Berlin-Kreuzberg


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