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Ronald Keusch

In dieser Stadt bin ich zu Haus

Berlin-Premiere vom Hildegard Knef Programm im Schlosspark Theater Berlin-Steglitz



Für mich soll’s rote Rosen regnen – Antje Rietz und Sophia Euskirchen als Hildegard Knef und ihr jüngeres Ich Hilde (© Sabine Haymann)
Für mich soll’s rote Rosen regnen – Antje Rietz und Sophia Euskirchen als Hildegard Knef und ihr jüngeres Ich Hilde

Hildegard Knef ist in das Berliner Schlosspark Theater zurückgekehrt. Und das sogar doppelt, also zwei Mal mit den Schauspielerinnen Antje Rietz und Sophia Euskirchen. Beide präsentieren mit ihren Liedern und Texten Stationen der Schauspielerin, Sängerin und Autorin Hildegard Knef auf dem Weg zu einem Weltstar. Der Autor ist der US-Amerikaner James Edward Lyons, der seit 40 Jahren in Deutschland lebt und am Theater arbeitet. Er wählte für seinen Liederabend über die im Jahr 2002 verstorbene Hildegard Knef, einen ihrer bekanntesten Titel aus: „Für mich soll`s rote Rosen regnen“. Das Programm, gespickt mit vielen originalen Texten aus Tagebüchern und Romanen von ihr, erhielt den Untertitel: Ein musikalisch-seelisches Portrait. Eine recht ungewöhnliche Ankündigung, doch eine sehr zutreffende Beschreibung für diese Knef-Revue. Denn wer nur eine Huldigung eines der seltenen Exemplare eines deutschen Weltstars erwartet, ist hier falsch.


Das Porträt von Hildegard Knef zeigt ihr rastloses Leben und die Einsamkeit, berufliche Karriere und private Krisen, seelische Katastrophen und immer wieder den Mut und den unbändigen Willen, sich zurück ins Leben zu holen. Kann ein Programm dies alles unterhaltsam und zugleich mit notwendigem Ernst dem Zuschauer präsentieren? Die Antwort, die von der Bühne des Schlosspark Theaters gegeben wird, ist ein klares Ja.


Schlosspark Theater (© DERDEHMEL/Urbschat)
Schlosspark Theater

Das Stück von James Edward Lyons mit dem Musik-Arrangement von William Ward Murta über die Ausnahmekünstlerin Knef hat schon mehr als zehn Jahre erfolgreiche Aufführungen vor allem im Westen Deutschlands erlebt.


Nun hat die doppelte Knef ein Gastspiel an dem besonderen Ort des Schlosspark Theaters. Die Geschichte des legendären Theaters reicht bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Nach Umbauten im klassizistischen Stil im Jahr 1921, wurde das Theater 1945 inmitten der Trümmerlandschaft in Steglitz wiedereröffnet. Für den Neustart holte sich der berühmte Regisseur Boleslaw Barlog die 20 Jahre junge Schauspielerin Hildegard Knef. Sie trug am Eröffnungsabend den Prolog von Goethe vor „Der Anfang von allen Sachen ist schwer“ und spielte später hier ihre ersten Rollen.



Hildegard Knef und Boleslaw Barlog ca. 1995 (© unbekannt)
Hildegard Knef und Boleslaw Barlog ca. 1995

Dann das Angebot des jungen Regisseurs Wolfgang Staudte für eine Hauptrolle. Sie drehte mit der DEFA in Potsdam Babelsberg in der Trümmerlandschaft von Berlin den Film „Die Mörder sind unter uns“, der in die Filmgeschichte einging. Hildegard Knef verkörperte die junge Frau des Anfangs, des Neubeginns.

Alles das wird im ersten Teil des Abends erzählt und gesungen, von der Figur der jungen 20-jährigen Knef und der doppelt so alten Knef, die ihre Lebenserinnerungen aufschreibt. 1)


Mit ihrer Spielfreude und ihrem Können haben die beiden Knef-Frauen auf der Bühne Antje Rietz und Sophia Euskirchen einen Hauptanteil daran, dass das Porträt dieser außergewöhnlichen Künstlerin so überzeugend und glaubhaft gezeichnet wird. Denn die Lebens-Stationen können kaum unterschiedlicher sein. Da sind die schrecklichen letzten Kriegswochen 1945 inmitten der Häuserkämpfe in Berlin, da ist die überstürzte Heirat mit dem tschechischen Emigrantensohn in US-Uniform, danach die lange Zeit in Hollywood mit Filmverträgen, ohne damals je einen Film zu drehen. Da ist die Rückkehr nach Deutschland. Der anerkannte Schauspieler und Regisseur Willi Forst holte sie für die Hauptrolle in dem Film „Die Sünderin“, die ihr über lange Jahre von einer bigotten Gesellschaft manche Feindschaft und Hetzjagden bescherte, da ist ihr zweijähriges Musical-Engagement am Broadway, von vielen beneidet, in dem sie in einer 8-Tage Arbeitswoche ausgepowert wurde, danach drehte sie in Europa viele Filme mit bedeutenden Regisseuren und wie sie bedauert, oft leider in unbedeutenden Filmen. Und da ist die Entdeckung ihres Talents, Chanson-Texte zu schreiben und selbst zu interpretieren.



Antje Rietz als Hildegard Knef (© Sabine Haymann)
Antje Rietz als Hildegard Knef

Ella Fitzgerad bezeichnete Hildegard Knef als die „beste Sängerin ohne Stimme“. Das rauchige Organ, die präzise, zuweilen schnoddrige, dabei aber durchweg gefühlvolle Art des Vortrags und die von Klugheit und lakonischer Ironie geprägten eigenen Texte machten Knef zu dieser einzigartigen Erscheinung in der deutschsprachigen Unterhaltungsmusik, so schwärmten gleichwohl Musikkritiker wie Publikum. Dem ist kaum zu widersprechen.


Dieses Talent der Hildegard Knef rückte im zweiten Teil des Abends mit ihren Liedern und Chansons, ihren ironisch selbstbewusst gesetzten Texten in den Vordergrund. Das Publikum bedankte sich mit spontanem Applaus auf offener Szene. Das Knef-Paar lief zu Hochform auf und das Musikerduo wie auch die Regie lieferten dafür die gelungene Inszenierung. Hildegard Knef war zurückgekehrt. Doch der Erfolg dieses Abends hatte nach meiner Meinung noch einen weiteren Grund. Mit dem gezeichneten Knef-Porträt ist in der Vorstellung an diesem Abend auch ein Stück der alten deutschen Bundesrepublik zurückgekehrt. Und das wurde von dem Publikum weitgehend registriert. Dieser kritische unangepasste eigenwillige Ton der Künstlerin konnte an frühere Zeiten in der Bundesrepublik erinnern. An solche Zeiten als die „SPD noch Mutter der Entspannungspolitik war und nicht Tante des Feinbildaufbaus gegen Russland“ (Albrecht Müller), als der Bundespräsident Richard von Weizsäcker aus der CDU im Jahr 1985 in einer Rede vor dem Bundestag den 8. Mai 1945 einen Tag der Befreiung nannte, als im Oktober 1983 bundesweit 1,3 Millionen Menschen gegen die Stationierung neuer Atomraketen in Mitteleuropa demonstrierten.


Der Applaus im gut besetzten Schlosspark Theater war riesig, es gab viele Bravorufe und ein halbes Dutzend Vorhänge. Der Applaus galt dem gesamten Team der Aufführung und dem Schlosspark Theater, das nach einem Abend über Marlene Dietrich wieder eine Diva der Unterhaltungsmusik präsentierte. Doch vor allem galt der Applaus Hildegard Knef, die uns heute mit ihren Liedern und Texten noch unterhalten kann und uns etwas zu sagen hat.


1) Wer mehr von der Lebensgeschichte und der Zeitgeschichte der Hildegard Knef erfahren will, der sollte in ihrem autobiografischen Buch „Der geschenkte Gaul“ aus dem Jahr 1970 nachlesen, das damals sogar auf Platz 1 der Spiegelbestsellerliste stand und viele Nachauflagen hatte.



Rote Rosen zum Schlussapplaus (© Sabine Haymann)
Rote Rosen zum Schlussapplaus



FÜR MICH SOLL'S ROTE ROSEN REGNEN

Ein musikalisch-seelisches Portrait über Hildegard Knef

von James Edward Lyons (Buch) & William Ward Murta (Musik & Arrangements)

mit Antje Rietz & Sophia Euskirchen sowie Horst Maria Merz (Klavier) und Andreas Henze (Baß)


Eine Produktion der Schauspielbühnen in Stuttgart / Komödie im Marquardt


Alle Termine im Schlosspark Theater:

  • Fr 01.07.2022 20:00 Uhr

  • Sa 02.07.2022 20:00 Uhr

  • So 03.07.2022 18:00 Uhr

  • Di 05.07.2022 20:00 Uhr

  • Mi 06.07.2022 20:00 Uhr

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