Die neue Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam präsentiert das Wechselspiel zwischen Kunst-Photographie und Malerei
Antonin Personnaz: Sonnenaufgang bei Schnee; um 1907–1914 Autochrome
Société française de photographie, Paris © Société française de photographie, Paris
Die Erhebung zur ständigen Hauptstadt der impressionistischen Maler in Deutschland haben Potsdam und die vielen Kunstliebhaber dem Kunstmäzen Hasso Plattner zu verdanken. Er ist Gründer des Museums Barberini, das im Jahr 2017 eröffnet wurde und dann im September 2020 seine umfangreiche Sammlung impressionistischer Gemälde als Dauerleihgabe erhielt. Diese einzigartige Sammlung umfasst 103 Werke von Malern des Impressionismus und Nachimpressionismus, darunter 34 Gemälde von Claude Monet (https://www.keusch-reisezeiten.de/post/2020-09-museum-barberini-impressionisten).
Einmal mehr wird nun Potsdam seinem Titel als Klein-Paris der impressionistischen Kunst gerecht. Das Museum Barberini eröffnete am 12. Februar die neue Ausstellung „Eine Neue Kunst. Photographie und Impressionismus“, die in Zusammenarbeit mit dem Von der Heydt-Museum Wuppertal entstanden ist. Auf einer online-Pressekonferenz stellt die Direktorin des Barberini-Museums, Ortrud Westheider, mit Stolz fest, dass die deutsche Museumslandschaft zum Impressionismus an Reichtum gewonnen hat. Beispiele dafür seien Ausstellungen in Bremen zu Monet und in Essen zu Renoir und Gauguin. So wurde die Idee geboren, eine Ausstellung zu konzipieren, die das Wechselspiel der neuen Kunstform Photographie und der Malerei der Impressionisten zeigt. Der Besucher kann jetzt in der Sonderausstellung die historischen Werke der neue Kunstform Photographie betrachten, die aus der Zeit von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1910 stammen. Er kann aber auch eine Vergleichssuche unternehmen, mit einer App, aber auch zwischen den Etagen des Museums - den Ausstellungsräumen der Sonderausstellung und der ständigen Impressionisten-Ausstellung.
Heinrich Kühn: Miss Mary im blauen Kostüm, 1910 Autochrome
Sammlung Österreichische Nationalbibliothek, Wien © ÖNB / Kühn
Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini: „Die Impressionisten widmeten ihre Malerei dem Augenblick. Ihre Malerei war pure Gegenwart, die individuelle Reaktionen auf im Wechsel begriffene Licht- und Wetterphänomene thematisierte. Das machte sie zu Verbündeten der Photographen.“
Die Photographen wählten die gleichen Motive wie die Impressionisten. Auch sie studierten die wechselnden Lichtsituationen, Jahreszeiten und Wetterverhältnisse. Oft fanden sich Photographen und Maler an den gleichen Orten in der Natur ein: Im Wald von Fontainebleau, auf abgeernteten Feldern mit Heuschobern, an der Steilküste von Étretat oder auf den Balkonen von Paris, um das Stadtleben aus der Vogelperspektive festzuhalten.
Von Anfang an verfolgten die Photographen einen künstlerischen Anspruch. Sie „komponierten“ ihre Bilder, experimentierten mit unterschiedlichen Techniken, Perspektiven, Lichtverhältnissen und Materialien, arbeiteten mit Unschärfe, Weichzeichnung und Montage. Ihr Verhältnis zur Malerei war bis zum Ersten Weltkrieg sowohl von Konkurrenz als auch von Einflussnahme geprägt. Viele der ersten Kunst-Photographen waren auch Maler, wie zum Beispiel Gustave Le Gray, Henri Le Secq oder Eugène Cuvelier, insofern ist es nicht verwunderlich, dass sie auch mit dem Blick eines Malers an ihre künstlerische Arbeit herangingen. So kann man bei erster oberflächlicher Betrachtung der frühen Photographien kaum einen Unterschied zwischen Gemälden und Fotos erkennen, wenn man mal davon absieht, dass auf Gemälde-Originalen der Pinselstrich zu sehen ist, wogegen die Kunst-Fotos „flach“ sind.
Antonin Personnaz: Armand Guillaumin beim Malen von „Badende bei Crozant"; um 1907 Autochrome
Société française de photographie, Paris © Société française de photographie, Paris
Umgekehrt haben die Impressionisten damals durchaus auch die Photographie benutzt, um ihre eigenen Werke bekanntzumachen. Unter dem Einfluss der Photographie entwickelten auch sie neue Techniken, wendeten sich modernen Sujets zu, beispielsweise der städtebaulichen Modernisierung und der neuen Industriearchitektur wie Fabriken, Bahnhöfen oder Brücken. Insbesondere die Porträt-Malerei nutzte die neuen photographischen Verfahren, indem Negative oder Dias auf eine mit lichtempfindlicher Emulsion präparierte Leinwand projiziert wurden. Maler zeichneten dann die Konturen des projizierten Bildes nach und kopierten diese mit mathematischer Genauigkeit. Die Technik dieser sogenannten „photopeintures“ galt als kostengünstig und effizient, da sie die Dauer der Porträtsitzungen erheblich reduzierte. Das Verfahren kam dann auch bei Repliken von Gemälden zum Einsatz.
Die Ausstellung beginnt mit der Naturbeobachtung. Impressionisten wie Photographen setzten sich Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Motiven Himmel, Meer und urbane Landschaften auseinander, versuchten Lichtreflexe und Wetterphänomene so authentisch wie möglich wiederzugeben. Die Landschaftsmalerei der Impressionisten gehörte zu den beliebtesten der zeitgenössischen Malerei. Das führte dann auch zu einer Aufwertung der Landschaftsbilder der Photographen und trug ganz entscheidend dazu bei, dass die Photographie als autonome Kunstform gesellschaftlich akzeptiert und anerkannt wurde. Auch wenn es noch Jahrzehnte lang Kritik und Ausgrenzung gab und den Photographen der Zugang zu Kunstsalons und Museen noch lange verwehrt wurde. So schrieb Charles Baudelaire 1859 zum ersten Pariser Salon, auf dem auch Photographien ausgestellt wurden, eine vernichtende Kritik, die einen bis ins 20. Jahrhundert währenden Streit über den Antagonismus zwischen der seelenlosen Technik (Fotoapparat) und dem schöpferischen Geist (Maler) auslöste. Bei den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts wurde die Photographie noch in der Nachbarschaft von Teleskopen, Barometern, elektrischen Telegraphen und astronomischen Geräten platziert, weit weg von Kunst und Gemälden.
Gustave Le Gray: Große Welle, Sète; 1857 Albuminpapier
Céline, Aeneas, Heiner Bastian © Céline, Aeneas, Heiner Bastian
Um die Jahrhundertwende wird die Photographie farbig und großformatig. Mit der Farbe, bis dahin ein Privileg der Malerei, überwindet die Kunst-Photographie die Einschränkungen der monochromen Wiedergabe, was ihr dann im 20. Jahrhundert völlig neue Perspektiven eröffnet.
In einem Raum der Ausstellung wird auch die technische Entwicklung der Photographie erläutert, neue Druckverfahren und Aufnahmetechnik gezeigt.
Gastkurator ist Ulrich Pohlmann, der langjährige Leiter der Photographischen Sammlung München und anerkannter Spezialist für französische Photographie im 19. Jahrhundert. Insgesamt präsentiert Kurator Pohlmann 150 Aufnahmen von etwa 70 Photographen, darunter Gustave Le Gray, Louise Deglane, Peter Henry Emerson, Alfred Stieglitz und Heinrich Kühn. Leihgaben kommen von 27 nationalen und internationalen Sammlungen, unter anderem vom Münchner Stadtmuseum, dem Photoinstitut Bonartes in Wien, dem Musée d‘Orsay sowie der Société Française de Photographie in Paris.
Peter Henry Emerson Seerosenpflücken; 1886 Platindruck
Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung © Photo: bpk / Staatsgalerie Stuttgart / Peter Henry Emerson
Die Ausstellung in Potsdam kann vom 12. Februar bis zum 8. Mai 2022 besucht werden. Anschließend wird sie nach Wuppertal umziehen und dort im Von der Heydt-Museum vom 2. Oktober 2022 bis zum 8. Januar 2023 zu sehen sein.
Für alle, die keine Karten ergattern können oder für die der Weg nach Potsdam zu weit ist, seien die 360-Grad Tour – sowohl durch die aktuelle Foto-Schau als auch die Impressionisten-Sammlung von Hasso Plattner – oder auch die interaktive Führung durch die Ausstellung mit einem persönlichen Guide empfohlen.
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