Über das Aufklärungsbuch "Wer, wenn nicht Bill" von Sven Böttcher
Die Welt scheint aus den Fugen geraten. Es droht eine Veränderung des Klimas auf der Erde, die Auswirkungen von Corona Infektionen und die Pandemie-Politik bestimmen seit dem Jahr 2020 den Takt des Lebens und sei das nicht alles schon genug, der kalte Krieg mit all seinen Gefahren kehrt nach Europa zurück. Da möchte mancher eine Glaskugel haben, um in die Zukunft zu schauen. Wie geht es weiter? Welchen Weg wird die Menschheit gehen?
Das folgende geistreiche wie zutreffende Bonmot wird mindestens 5 Größen der Kulturgeschichte - von Karl Valentin bis Mark Twain - zugeschrieben: "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen." Dennoch macht sich eine unzählige Heerschar von Autoren daran, ihren Lesern das Zukünftige nahe zu bringen. Die Texte sind nicht selten mit Ideologie schwer beladen, langatmig, zuweilen langweilig. Aber es gibt auch Ausnahmen. Dazu zählt der Autor Sven Böttcher mit seinem 170 Seiten starken Büchlein "Wer, wenn nicht Bill" mit der Unterzeile: "Anleitung für unser Endspiel um die Zukunft", herausgegeben von der rubikon Betriebsgesellschaft. Der Autor, Spiegel-Bestsellerautor sowie Verfasser diverser Thriller, Krimis und Krimiserien, hat sich auch mit Sachbüchern einen Namen gemacht, unter anderem gemeinsam mit Mathias Bröckers über die Pharmaindustrie. Böttcher steht also für gute solide Recherche und Analyse, zugleich auch für Humor, originelle Ideen und Unterhaltung im besten Sinne des Wortes. Das beginnt schon mit dem Buchtitel, auf dem das Wort Bill mit schwarzem Filzstift überschrieben ist durch das Wort "Wir" und setzt sich im Text an unzähligen Stellen zum Vergnügen des Lesers fort.
Die Ausgangssituation des Buches ist so trivial wie einleuchtend. "Auch eine wieder anspringende, weiterhin wachstumsorientierte Weltwirtschaft würde auf keine der drängenden Fragen, die bereits vor Covid im Raum standen, eine Antwort darstellen." (S.9) Die alte Normalität ist passè, die Staatsschulden und das Gefälle zwischen Arm und Reich wachsen monströs, bis zu 50 Prozent der derzeitigen Jobs gehen schon bald durch Digitalisierung verloren, Kleinbetriebe verschwinden, Krisenprobleme, wo man hinsieht: Klima, Energie, Finanzsysteme, Flüchtlingsströme, Terrorismus, Kriege. Was ist zu tun?
Der geniale Kunstgriff des Autors besteht darin, sich auf zwei der wichtigsten zukunftsweisenden Pläne zu konzentrieren, die er auch als Verschwörungen bezeichnet. Wobei er gleich einräumt, dass die Pläne weder "geheim", weil vielfach publiziert, noch den Machern wie bei Verschwörungen böse Absichten zu unterstellen sind. Folgerichtig hat sein Buch nur zwei große Kapitel mit der Überschrift: "Die Verschwörung des Team Bill" und "Die Verschwörung des Team Mensch".
Der kluge Leser vermutet zurecht hinter dem Vornamen Bill die Person des Multimilliardärs Bill Gates. In der Verschwörungstheorie von Kapitel 1 plant eine Gruppe von einflussreichen Gutmenschen, angeführt von Bill, derzeit "nichts weniger als eine neue Weltordnung, eine 'neue Normalität' mittels Neustart, Umbruch, wahlweise 'Great Reset'."(S.14) Gewissermaßen verfolge diese Verschwörung ein gutes Ziel, richte sie sich gegen das heutige globale Zusammenleben und Wirtschaften. Und Bills Weggefährte Klaus Schwab, Gründer des World Economic Forum (WEF) sieht vor, den Kapitalismus in seiner bisherigen Form abzuschaffen, da die neoliberale Doktrin "tot" sei. Die "kreative Zerstörung der Weltwirtschaft, Neustart und Reset erscheinen dem Team Bill nicht nur unvermeidlich, sondern wünschenswert. Alles geschehe für eine bessere Welt und zu unserem eigenen Besten." So beginnt das Kapitel zum Team Bill. Und jeder Leser, der nun auf den folgenden mehr als 60 Seiten erwartet, dass in wüster Polemik der Milliardärs-Club von Bill Gates und Co. entlarvt wird, muss enttäuscht sein. Böttcher nimmt die "neuen Weltordner" beim Wort. Nicht zuletzt durch eine Fülle von Zitaten aus Originalquellen wird sehr überzeugend verdeutlicht, was die neue Normalität für die große Mehrheit für Konsequenzen in ihrem Leben hervorruft. Da ist nichts misszuverstehen und das sollte sich wirklich jeder zu Gemüte führen. Um die Welt und unseren eigenen Untergang selbst abzuwenden, "... bleibt uns nur die Rettung mittels totaler Kontrolle durch zunächst einen einzelnen Anführer, Bill, sowie in der Folge durch hyperintelligente KI und deren übermenschlich vernünftige Entscheidungen." ( S.62) Und nicht nur der Autor stellt die Frage: Ist dann die Freiheit Geschichte? Und das Individuum auch?
Die analytische Brillanz, mit der das Konzept vom "Great Reset" offengelegt wird, hält Böttcher im folgenden zweiten Kapitel "Die Verschwörung des Team Mensch" leider nicht ganz durch. Das Anliegen des Kapitels ist löblich: Es geht um ein radikal humanistisches Manifest, um Ziele Anliegen und Überzeugungen des Teams "Mensch". Allerdings führt Böttcher uns auch sofort vor Augen, wie sinnlos und zum Scheitern verurteilt diese sind: "Der gesunde Menschenverstand hat leider keine Lobby." (S.75) Böttcher rechnet uns vor, anhand von Zahlen von Berufspolitikern, Beamten, Pensionären, Beziehern von staatlichen Transferleistungen und Almosenempfängern, dass die auch wie immer geartete bunte Einheitspartei nicht abzuwählen ist: "Mag die Produktivität dieser Wählergruppe auch nahe Null liegen – sie entscheidet allein. Alles." (S.111) Meinungsstreit ist vorprogrammiert, wenn es um die Reaktionen auf zu erwartende Zerstörungen, das Chaos und den Kollaps in der Zukunft geht. "Der Zerstörungswunsch ist nicht auf dem Mist von Team Mensch gewachsen. Sondern auf dem von Klaus und Bill. Deren schöpferische Zerstörung, die der neuen Normalität vorausgeht, produziert das Trümmerfeld ..." (S.111) Der Autor gibt dann auf etwa 20 Seiten im Text manchmal ironisch augenzwinkernd acht Parolen aus zum Verhalten während des Zusammenbruchs. Die letzte lautet: "Beruhigt Euch".
Sehr überzeugend ist der Autor am Anfang des zweiten Kapitels, wenn er resümiert, dass wir viel gelernt haben aus der Krise. Gemeint ist Corona. "Wir wissen jetzt, dass unser Immunsystem uns schützt. Und wir wissen jetzt sogar, wie wir unser Immunsystem stärken können, eigenhändig, selbstverantwortlich mittels häufigem Einatmen von frischer Luft, Bewegung, gesunder Ernährung, Nichtrauchen, Nichtsaufen, guter Laune, menschlicher Nähe sowie ein paar Vitaminen und Spurenelementen zusätzlich ..." (S.70) So wie es sich für ein Aufklärungsbuch in heutiger Zeit gehört - es liefert Wegweiser, Überlebensanleitungen und ein wenig Hoffnung.
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