Abendlicher Besuch im Wildpark Schorfheide
Wolf im Groß-Gehege
Genauso wie die gesamte Brandenburger Naturlandschaft kennt auch der in der Schorfheide liegende Wildpark keinen Ruhetag. An manchen Samstagen bleiben die Park-Tore noch länger offen - zu den Vollmond-Wolfsnächten. Sie werden seit dreieinhalb Jahren veranstaltet und ich habe mich am ersten Samstag im März dieses Jahres auf den Weg gemacht. Ich kann den gut ausgeschilderten Wildpark nahe von Groß Schönebeck auch ohne Navigationstechnik über die Bundesstraße 109 leicht finden.
Heimische Tiere der Schorfheide
Im Restaurant haben sich pünktlich um 18 Uhr etwa 60 Besucher erwartungsvoll an den großen Tischen versammelt. Schon auf den ersten Blick wird klar: viele Familien mit Kindern wollen die Wölfe sehen. Bevor es nun zu den Wölfen geht, kann sich jeder erst einmal an einem reichhaltigen Buffet stärken. Mir schmeckt die Soljanka besonders gut.
Wildpark-Chefin Imke Heyter
Dann spricht Imke Heyter, die Chefin des Wildparks, zu ihren Gästen. Und da geht es zunächst einmal noch gar nicht allein um die Wölfe. Die Grundidee des Wildparks besteht darin, hier Tiere zu halten, die in der Schorfheide heimisch waren oder es heute noch sind. Sie schwärmt davon, wie vielfältig und phantastisch die Tierwelt ist und dass die Menschen sie am besten schützen können, wenn sie diese Tiere kennen. In diesem Sinne soll nach Imke Heyter ihr Wildpark eine Bildungseinrichtung sein. Und dann hat sie viel Lob für das Tourismus-Konzept der TMB im fernen Potsdam, die einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf den Natur-Tourismus setzt. Der Wildpark passt gut in das Konzept.
Wo sind die Wölfe?
Doch dann kommt Imke Heyter zu ihrem großen Thema der Wölfe. Viele Besucher des weitläufigen Parks mit den großen Gehegen fragen nicht nach den Elchen oder Waschbären, nach den Fischottern oder Mufflons. Sie fragen zuallererst: Wo sind die Wölfe?
Hier geht es zu den Wölfen
Das Interesse der Besucher ist nach wie vor groß und der Wolf scheint ein Tier der Superlative zu sein. Entweder, so die Erfahrung der Wildparkleiterin Heyter, finden die Leute den Wolf total schrecklich oder total toll. Und sie hält ein Plädoyer für die Wölfe, die ja auch außerhalb der Gehege wieder in den Brandenburger Wäldern Einzug gehalten haben (geschätzte Zahl 50 bis 60 Tiere). Diesen Trend gebe es in allen Bundesländern Deutschlands und es sei noch keinerlei Grund für irgendwelche Hysterie gegeben, so Heyter. Und weiter. „Wenn der Adler ein Lamm holt, heißt es, ist ja toll, es gibt bei uns Adler. Wenn der Fuchs die Hühner der Nachbarin besucht, wird oft gelächelt, da war der Fuchs wieder mal schlauer. Aber frisst der Wolf ein Schaf, wird ihm das übel genommen…“ Als die Wolfs-Kennerin schließlich noch einmal betont, dass Wölfe keine Menschen fressen, sie tun es einfach nicht, da ist endlich der Aufbruch zu den Wolfs-Gehegen angesagt.
Abenddämmerung im Wildpark
Ruf in den Wald: Abendbrot…Abendbrot
Das Gelände des Wildparks liegt in totaler Dunkelheit, auch der angekündigte Vollmond der Wolfsnacht lässt sich nicht blicken. Glücklicherweise haben viele Familien mit Kindern den Hinweis auf dem Informationsblatt ernst genommen und eine Taschenlampe mitgebracht. Ich habe die Lampe im Auto vergessen und stapfe hinter einer Familie hinterher, die mit Kinderwagen, zwei Sprösslingen und einer Taschenlampe unterwegs ist. Die Waldwege sind durch Regenfälle sehr aufgeweicht und so hat zunächst das Schuhwerk ein abenteuerliches Erlebnis.
Nach einem 15 Minuten Marsch ist das ein Hektar große Wolfsgehege erreicht. Imke Heyter schnappt sich bereit stehende Eimer mit Rindfleisch, öffnet die Gehegetür und ruft in den dunklen Wald: „Abendbrot… Abendbrot…“ Viel anders würde das bei dem Publikum zu Hause auch nicht klingen.
Anführer des Rudels ist Vincent
Leider verweigert der Mond sein Erscheinen, aber dafür tauchen jetzt die Wölfe im Schein der Taschenlampen auf. Das Publikum erfährt weiteres über das Wolfsleben. In dem großen Areal lebt eine Wolfsfamilie mit sechs erwachsenen Tieren sowie dem Nachwuchs von drei einjährigen Wölfen. Der Anführer, das Alpha-Tier, ist Vincent, die Fähe, seine Wolfsfrau, heißt Paula. Im Rudel paaren sich nur die zwei ranghöchsten Tiere, alle anderen Mitglieder im Rudel kümmern sich gemeinsam um die Aufzucht des Nachwuchses. Der Wolf gehört zu den wenigen Tierarten mit einer solchen sozialen Kompetenz.
Zur Freude von Imke Heyter und allen Besuchern tauchen immer wieder ihre Wölfe auf. Sie kommen an diesem Abend auf eine Nähe von zehn Metern an den Zaun und haben scheinbar keine Scheu vor den Strahlen der Taschenlampen. Die Wölfe im Wildpark sind sozialisiert und haben sich an den Menschen gewöhnt. Im Unterschied dazu die Wölfe in freier Wildbahn, die absolut menschenscheu sind. Ein Spaziergänger im Wald hat wohl keine Chance, einen Wolf zu Gesicht zu bekommen.
Nachts bei den Wölfen
Hausmusik der Wölfe
Immer noch prasseln Fragen auf die Wildparkleiterin Heyter nieder, die geduldig antwortet. Warum heulen die Wölfe? „Wenn die Wölfe heulen“, so erklärt sie, „dann ist das so wie Mantra singen oder Hausmusik in der Familie machen. Wölfe sind Distanztiere, die kuscheln nicht den ganzen Tag. Aber wenn sie heulen, kommen sie alle zusammen und stärken den Verbund ihres Rudels.“ Heute war das Wolfsheulen nicht zu hören - schade.
Für den Rückweg liegen Fackeln bereit und zusammen mit den Taschenlampen ist der Wildpark nicht mehr so dunkel. Zwei kleine Lagerfeuer, in und vor einer Köhlerhütte, laden die Besucher ein, bei einem Glühwein oder einem Glas Tee, sich auszutauschen - natürlich auch über das schier unerschöpfliche Thema rund um den Wolf. Und als die Holzscheite im Feuer knackten, ein leichter Nachtwind aufkam, einige Sterne am Himmel erschienen, sagte einer aus der Runde, was viele jetzt dachten: „Schön, dass die Wölfe da sind!“
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